Lieber Josef Plahl,
werte Vertreter der Landsmannschaften,
liebe Mitglieder des Bundes der Vertriebenen,
sehr geehrte Damen und Herren,

herzlichen Dank an den heimischen Bund der Vertriebenen, dass wir trotz der besonderen Zeiten zu dieser Gedenkfeier zusammenkommen können.

Das Erinnern an die Unterzeichnung und die Verkündung der „Charta der Heimatvertriebenen“ vor genau 70 Jahren von Stuttgart aus, muss auf Dauer Teil des Gedenkens in Deutschland bleiben.

Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, in einem physisch, psychisch und moralisch zerstörten Land, in einer Atmosphäre der totalen Verunsicherung gelang es den beiden Dachverbänden der Heimatvertriebenen – dem Zentralverband der vertriebenen Deutschen (ZvD) und den Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften (VOL) mit der Charta ein historisches Dokument der Gründungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland aufzusetzen und ein bleibendes Vermächtnis für ein zusammenwachsendes Europa zu schaffen.

Der Text der Charta ist nicht sonderlich lang, aber die Inhalte sind in der Sprache der Zeit klar gefasst. Die Formulierung der Charta gab den Millionen von Deutschen – am Ende sollten es 14 Millionen sein, welche ihre Heimat in Ost- und Westpreußen, in Pommern und Ostbrandenburg, in Schlesien, im Sudentenland sowie in Südost- und Osteuropa verloren, eine Orientierung.

Der Text bot gleichzeitig eine Richtschnur für die Zukunft und war auch ein klarer Appell an Politik und Gesellschaft, die Situation der von den Kriegsfolgen mit am stärksten betroffenen Deutschen nicht zu vergessen.

Folgerichtig wird die Charta in den ersten Zeilen des Textes als Grundgesetz der Heimatvertriebenen definiert.

Die
(1) folgende Absage an Rache und Vergeltung und dies – ich zitiere „im Gedenken an das unendliche Leid, welches im Besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat“ –,
(2) das klare Bekenntnis zu einem geeinten Europa, um zukünftig Flucht und Vertreibung zu vermeiden sowie
(3) die Verpflichtung sich mit harter und unermüdlicher Arbeit am Wiederaufbau Deutschlands und Europas zu beteiligen,
macht die Charta zu einem friedenstiftenden und zukunftsweisenden Dokument.

Und auch die besondere Hervorhebung des Rechts auf die Heimat ist viel weiter gefasst, als ein aus der Zeit heraus mehr als verständlicher Wunsch, in die eigene Heimat zurückzukehren. Vielmehr wird eindringlich dafür geworben, dass das Recht auf Heimat ein Grundrecht der Menschheit ist. Dieser Appell findet sich auch in der heutigen Diskussion um ein internationales Vertreibungsverbot stetig wieder.

Meine Damen und Herren,

in Hessen, in unserem Landkreis und gerade auch hier in Weilburg und Umgebung erfüllten die Heimatvertriebenen die Charta nach deren Verkündung in den folgenden Jahren und Jahrzehnten mit Leben. Sie schufen sich Existenzen in der neuen Heimat, gestalteten den Wiederaufbau wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich mit und bereichern mit ihrer Tradition und Kultur unser Land bis heute.

Deshalb ist das regelmäßige Erinnern an die Leistungen der Heimatvertriebenen mit den Tagen der Heimat und dem heutigen Gedenken an die Charta keine Folklore. Vielmehr bleibt es eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung, den Weg aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs hin zu einem wiedervereinten Deutschland und einem friedlichen Europa immer wieder ins Bewusstsein zu rufen.

Die Autoren der Charta der Heimatvertriebenen haben hierzu einen bedeutenden Baustein geliefert. Wir erinnern uns daher besonders heute mit großem Respekt und Dankbarkeit dieser Leistung.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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